Der lange Atem der Vergangenheit Kriminalroman by Val McDermid

Der lange Atem der Vergangenheit  Kriminalroman by Val McDermid

Autor:Val McDermid [McDermid, Val]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426435670
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2015-09-25T04:00:00+00:00


Zuerst bestand noch Hoffnung, dass wir um einen regelrechten Krieg herumkommen könnten. In den wenigen Stunden, die Mitja seinen Tagen abringen und mit mir verbringen konnte, erfuhr ich, dass die JNA Probleme hatte. Offenbar waren nicht alle Soldaten begeistert davon, dass sie gegen ihre nächsten Nachbarn kämpfen sollten. Die Generäle der JNA drohten mit schrecklichen Vergeltungsmaßnahmen gegen Deserteure und Reservisten, die die Einberufung ignorierten. Und die Bundesbehörden in Belgrad betonten immer wieder, es werde keinen Angriff gegen Dubrovnik geben.

Wir lagen in unserem Hotelzimmer im Bett – wir mussten uns in Hotels treffen, weil ich Mitja nicht zu Varyas Haus mitnehmen konnte und er mich nicht in seine Kaserne – und hielten uns umschlungen, während wir über die Wahrscheinlichkeit eines Krieges und die Möglichkeit des Friedens sprachen. Es klingt nicht sehr romantisch, ich weiß. Aber die Ideen hatten uns zusammengebracht. Mitten im Geschehen zu sein, wenn die Ideologie sich ins reale Leben drängt, war für uns erschreckend und zugleich faszinierend.

Die Hoffnung, dem Konflikt irgendwie zu entkommen, erledigte sich eine Woche nach der Mobilmachung. Die Artillerie der JNA zerstörte die südöstlich von der Stadt gelegenen Dörfer. Es war klar, dass sie planten, mit dem südlichsten Zipfel Kroatiens zu beginnen und sich hochzuarbeiten. Melissa hatte mir eine Reihe immer eindringlicherer E-Mails geschickt, in denen sie mir riet, ich solle flüchten. Ich vermute, dass meine stets höflich wiederholte Ablehnung sie vor Frustration fast in den Wahnsinn trieb.

In jener Nacht sagte Mitja: »Es ist nicht zu spät zu fliehen, Maggie. Ich kann dafür sorgen, dass du sicher rauskommst.« Er schien bei dem Gedanken nicht glücklich, aber ich sah, dass er es ernst meinte.

»Ich kann nicht«, antwortete ich. »Ich habe mich entschieden. Ich kann dich nicht verlassen.«

Er umschlang mich fester. »Das verstehe ich. Aber wenn die Kämpfe anfangen, wird es für uns nicht viele Gelegenheiten geben, zusammen zu sein. Ich bin Soldat, Maggie. In einem Krieg muss ich dorthin gehen, wohin man mich schickt. Und tun, was man mir sagt.«

»Ich weiß. Aber du bist doch im Geheimdienst, oder? Du wirst nicht an der Front sein. Du wirst hier sein und deine Aufgabe erfüllen. Und ich werde auch hier sein. Wann immer du weg kannst, warte ich auf dich.«

»So sollte das Leben nicht sein.« Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, klang er zornig. »Was ist mit deinem Feminismus geschehen? Plötzlich wirst du zu einem willfährigen Frauchen, das darauf wartet, dass ihr Mann sie mit seiner Anwesenheit beehrt?«

Ich war schockiert. »Nein, das habe ich nicht gemeint. Was immer geschieht, ich werde eine sinnvolle Tätigkeit finden. Ich werde nicht herumsitzen und einen verdammten Wandteppich weben. Damit will ich sagen, dass ich jetzt, wo ich dies gefunden, dich gefunden habe, nicht fortgehe. Egal, was für Konsequenzen es mit sich bring, Mitja. Ich …« Ich unterbrach mich unvermittelt. Es waren schließlich nur neun Tage gewesen. Bis dahin hatten wir vermieden, einander »Ich liebe dich« zu sagen. Ich liebe deinen Körper, ich mag es, wenn du das mit mir machst, ich mag es, mit dir zusammen zu sein – all das hatten wir gesagt, aber noch nie hatten wir wirklich aufrichtig Farbe bekannt.



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